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Literaturzentrum: Heines kritischer Geist soll spürbar sein Düsseldorf hat das Zeug für ein Literaturzentrum, und zwei Buchhändler den Mut, es zu leiten.
Von Sema Kouschkerian Foto: Bernd Nanninga

Am 17. Februar 2006 gedenkt Düsseldorf Heinrich Heines 150. Todestages. Das gesamte nächste Jahr ist dem großen Dichter gewidmet. Kein schlechtes Datum also, um eine Einrichtung zu eröffnen, die irgendwann einmal ganz selbstverständlich das Literaturzentrum Düsseldorfs sein soll.

Lange mussten Selinde Böhm und Rudolf Müller von der Buchhandlung Literatur bei Müller, warten, bis sie wussten, dass der Plan umzuziehen, in trockenen Tüchern war. Dabei war es gar nicht mal ihre Idee, das Geschäft von der Neustraße in das Geburtshaus Heinrich Heines zu verlegen und ihr bisheriges Konzept zu erweitern. Doch sie sind davon überzeugt, dass ihre maßgebliche Beteiligung am ersten Literaturzentrum der Stadt eine tolle Sache werden kann.

WZ: Frau Böhm, Herr Müller, in einem halben Jahr werden Sie in die Bolker Straße umziehen. Schon aufgeregt?
Rudolf Müller Ein bisschen schon. Es beginnt ja etwas Neues.
Selinde Böhm Bei mir ist das anders. Als wir damals die grundsätzliche Entscheidung treffen mussten, Umzug ja oder nein, da war ich aufgeregt. Aber jetzt doch nicht mehr.

Sie arbeiten seit Jahren mit einem anspruchsvollen Konzept und mit großer Literatur. Ist die Bolker Straße der richtige Ort für den gehobenen Geschmack?
Müller Das Geburtshaus Heinrich Heines steht nun mal dort. Das kann man ja nicht einfach verlegen. Wir wissen, dass das Umfeld schwierig ist.
Böhm Das Ganze geht nur, weil wir beide seit 16 Jahren in der Altstadt arbeiten und die ganze Vielfalt dieses Mikrokosmos` kennen. Ob sich allerdings in der Bolker Straße unsere potenziellen Kunden tummeln, kann jetzt noch niemand sagen.

Wann beginnt der Umbau?
Böhm Wir sind schon mitten drin. Zunächst werden die Brandschutzvorkehrungen getroffen. Der Innenhof wird entkernt und der Zugang zur ehemaligen Mata Hari-Passage geöffnet. Dort entsteht ein Veranstaltungsraum. Auch die Fassade wird ganz anders aussehen, sie bekommt eine klare Struktur und eine große Fensterfront.

Welche Beziehung haben Sie zu Heinrich Heine?
Böhm Wir lesen jetzt natürlich wieder viel von ihm und entdecken ihn neu. Er ist allerdings kein Dichter, der es einem leicht macht, und ich finde von ihm auch nicht alles gut.

Fühlen Sie sich Heine verpflichtet? Zumal Sie in seinem Geburtshaus arbeiten werden?
Böhm Ja, sein kritischer Geist soll spürbar sein. Wir wollen jedoch kein Museum sein und werden auch nicht die üblichen Zitate an die Wand malen.
Müller Wir wollen ein lebendiges Haus erschaffen, das ist ganz sicher im Sinne Heines.

Eine literarische Buchhandlung allein macht noch kein Literaturzentrum. Was ist also über den Bücherverkauf hinaus geplant?
Müller Wir haben 16 Jahre Erfahrung mit Autorenlesungen. Bei uns waren Cees Nooteboom, Alain Robbe-Grillet, die Gertrude Stein-Übersetzerin Barbara Köhler, Oswald Egger und auch Imre Kertesz, bevor er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. An diesem Programm werden wir natürlich festhalten.
Böhm Wir werden aber auch die regionalen Autoren wie Hermann Harry Schmitz, Karl Lebrecht Immermann stärker betonen und auch Bücher über Düsseldorf präsentieren. Wir haben keine Berührungsängste. Wir verkaufen ja auch Harry Potter.

Wie werden Sie Ihr Veranstaltungsprogramm ausweiten?
Müller Es können szenische Lesungen und auch musikalische Veranstaltungen stattfinden. Ein Ausbau unserer Kooperation mit der Robert-Schumann-Musikhochschule wäre schön und bietet sich gerade für das kommende Jahr an, in dem ja auch Schumanns 150. Todestages gedacht wird.
Böhm Für solche Anlässe steht der Veranstaltungsraum mit Bühne zur Verfügung. Das ist ein wirklich schöner Raum in der ehemaligen Mata Hari-Passage, mit einem wundervollen Glasdach. Ideal als ein Ort der Begegnung für Philosophen, Schriftsteller und jeden anderen. Tagsüber gibt es dort einen Cafebetrieb mit einem umfangreichen Angebot an Literaturzeitschriften.

Sind Sie an einer kontinuierlicheren Zusammenarbeit mit den Hochschulen und den kulturellen Instituten interessiert?
Müller Auf jeden Fall. Zu einzelnen Professoren haben wir bereits Kontakt aufgenommen. Und es bestehen ja schon länger gute Verbindungen zu Heine-Institut und Literaturbüro die sind im Übrigen auch Mitglied in unserem Förderverein zu Schauspielhaus und Institut Francais.
Böhm Die Universität in der Stadt bekannter zu machen, ist ja auch das Bestreben von Rektor Labisch. Warum soll also nicht einmal ein „Düsseldorfer Forum“ der Heine-Uni zu einem aktuellen Thema im Literaturzentrum stattfinden? Wir wären daran sehr interessiert.

Hat Düsseldorf das Zeug für ein Literaturzentrum?
Müller Es gibt auf jeden Fall ein literarisch interessiertes Publikum. Ich glaube sogar, dass Düsseldorf besser ist als sein Ruf. Bisher hat eben nur ein echtes Zentrum gefehlt, wo die intellektuellen Angebote und Interessenslagen gebündelt werden. Wir haben hier in Düsseldorf außerdem den ganz klaren Vorteil, das Geburtshaus eines großen Dichters zu beherbergen. Das ist nicht selbstverständlich. Welche Stadt hat so etwas schon?

Auf den Tag X warten Sie nun schon seit vier Jahren. Leidet da nicht das Engagement?
Böhm Wir waren zwischendurch schon frustriert. Wir haben nicht damit gerechnet, dass sich das alles so lange hinziehen würde. Wir hatten vor lauter Enthusiasmus schon die ersten Autoren angesprochen und wollten Verträge mit ihnen abschließen. Das musste wir dann zurücknehmen. Das war peinlich. Man macht sich ja lächerlich in der Branche. Also haben wir erst einmal alles zurückgefahren.

Welches Risiko gibt es bei der ganzen Sache?
Böhm Das unternehmerische natürlich. Wir müssen ein neues und größeres Ladenlokal von immerhin rund 107 Quadratmetern neu einrichten, wir müssen eine Kraft zusätzlich einstellen und organisieren mehr und andere Veranstaltungen. Das macht man nicht mal eben so.
Müller Aber wir bringen andererseits auch einiges mit gute bis freundschaftliche Verbindungen zu wichtigen Autoren, Schauspielern und Musikern